March 8, 2011

Der Jesuitenorden, Einleitung



Paul Graf von Hoensbroech: Der Jesuitenorden, eine Enzyklopädie. Einleitung

pt 2 Gehorsam

Als mitten im Weltkrieg, da Deutschland schon in schwerster Bedrängnis war (Frühjahr 1917) das Zentrum seine Rechnung für geleistete vaterländische Dienste in Gestalt des Antrages auf Aufhebung des Jesuitengesetzes der Regierung überreichte, und als Regierung und Reichstag in Schwäche und Verblendung den Antrag annahmen – siehe "Jesuitengesetz in Deutschland" – wurde ich von verschiedenen Seiten angegangen, eine kurze Zusammenstellung der Hauptgrundsätze des Jesuitenordens zu veröffentlichen.
An Ähnliches hatte ich selbst schon gedacht. Aber es durfte nichts Kleines, es musste etwas Großes werden.

Das Unheil war geschehen: die Jesuiten waren wieder zugelassen, ihrer Tätigkeit stand nichts mehr im Wege.
Und so fest es auch für mich steht, dass der Jesuitenorden infolge seines verderbten Wesens, wie bisher aus allen Ländern, so auch aus Deutschland einst wieder ausgestoßen werden wird, so glaube ich doch, dass bis dahin vielleicht noch Jahrzehnte vergehen werden. Da gilt es, einen festen Wall zu errichten gegen seinen Einfluss, eine reichhaltige Rüstkammer anzulegen, aus der scharfschneidende Waffen zu seiner Bekämpfung gewonnen werden können. Eine kleine Schrift, auch noch so gediegenen Inhaltes, würde in der übrigen Bücherflut bald verschwunden sein. Es musste ein Werk geschaffen werden, das nach äußerem Umfang und innerer Reichhaltigkeit über die Flut hinausragt. Deshalb unterzog ich mich der nicht fast, sondern wirklich übergroßen Mühe dieses Werkes. Auch noch ein anderer Grund trieb mich zur Arbeit.

Ich stehe am Ende meines Lebens, und obwohl ich mein redlich Teil geleistet habe, Aufklärung zu verbreiten über den größten Religions-, Christentums-, Staats- und Kulturfeind, den Jesuitismus, so dass ich sagen kann: non omnis moriar, so will ich doch nicht ins Grab steigen, ohne noch einen großen Schlag gegen den Antichristen zu führen. Kenntnisse, theoretische und praktische, besitze ich, um über den Jesuitenorden ein für seine Beurteilung immer grundlegend bleibendes Werk zu schreiben.


Ist der Jesuitenorden wirklich eine so große Gefahr?

Wenn man die Meinungen verschiedener Kreise hört, die sich seit Jahrzehnten durch Zeitungen, Volksvertretungen und Versammlungen in die Öffentlichkeit ergießen und die in die Plattheiten auslaufen: "Keine Ausnahmegesetze", und "Der deutsche Geist braucht die wenigen Jesuiten nicht zu fürchten", so sollte man allerdings meinen, Jesuitenfurcht sein Gespensterfurcht. Wer aber die Dinge sieht, wie sie sind, d.h. geschichtlich, und wer den Jesuitenorden, seine Grundsätze und seine Arbeitsart kennt, der weiß, dass "Jesuitenangst" begründet ist.
Nicht zwar in der Unüberwindlichkeit der Jesuiten – unüberwindliche Irrungen gibt es für den menschlichen Geist überhaupt nicht – sondern in der Erkenntnis, dass die Gefährlichkeit des Jesuitenordens für Religion, Christentum, Staat und Kultur, Güter, deren Verteidigung höchste Pflicht ist, durch die jesuitische Arbeitsart und durch die Wirkungsmöglichkeiten, die in ihr liegen, zu einer besonders großen wird.
Gerade das deutsche Volk hat allen Grund, sich der Jesuiten zu erwehren.
Seit um die Mitte des 16. Jh. die Jesuiten nach Deutschland kamen, bis zur Aufhebung des Ordens im Jahre 1773, hat Deutschland Unsägliches durch sie gelitten. In der Gegenreformation, in den Hexenverfolgungen, im Dreißigjährigen Krieg haben sie deutsches Blut in Mengen fließen gemacht. [...]

Sein Hass gegen den Protestantismus ist groß. Wo immer jesuitische Tätigkeit sich entfaltet, da wird es nie Frieden unter den Bekenntnissen geben, da wird der Konfessionalskeil systematisch ins Volk getrieben und jede Verständigungsmöglichkeit vertrieben.
Und wie zahlreich und wirksam sind nicht die Mittel, die dem Jesuiten für die Zerstörungsarbeit zur Verfügung stehen! Mittel, die man wegen ihres religiösen Charakters unmittelbar kaum bekämpfen kann: Predigt, Beichtstuhl, Volksmissionen, Exerzitien, Kongregationen usw., jede auch noch so "kleine" Jesuitenniederlassung ist Ausgangs- und Mittelpunkt einer großen Bewegung. Wie ein Stein ins Wasser geworfen, viele und weite Kreise zieht, so treiben die "wenigen" Jesuiten von ihren Sprechzimmern, Beichtstühlen, Exerzitienhäusern, Kongregationskapellen aus ihren verderblichen Einfluss in alle Schichten des Volkes.

Diese religiöse Verhetzung ist die eine Seite der großen Gefährlichkeit des Jesuitenordens.
Vaterlandslosigkeit ist die andere.
Der vaterlandslose Jesuit als Leiter zahlloser Vereine aller nur möglichen Berufe und Stände, der vaterlandslose Jesuit als Jugenderzieher, Seelenführer, Hausfreund und Familienberater ist eine ungeheure Gefahr für unser Volkstum, denn die jesuitische Vaterlandslosigkeit unterhöhlt gerade diejenige Kraft, die an erster Stelle aller völkischen Kräfte stehen muss: wurzelechte, bedingungslose Vaterlandsliebe.

Bismarck sagte am 28. November 1885 im Reichstag:

"Die Gefahr, die gerade die Tätigkeit der Jesuiten für Deutschland, seine Einigkeit und seine nationale Entwicklung hat, liegt nicht im Katholizismus der Jesuiten, sondern sie liegt in ihrer ganzen internationalen Organisation, in ihrem Lossagen und Loslösen von allen nationalen Banden und in ihrer Zerstörung und Zersetzung der nationalen Bande und nationalen Regungen, überall, wo sie ihnen beikommen können [...]
Es ist dieser Kosmopolitismus, diese Neigung zur Vaterlandslosigkeit, die gerade der Jesuitenorden mehr als irgendein anderer durch seine Jugenderziehung fördert, indem er die Jugend von den nationalen Banden, vom Nationalgefühl losreißt.
Die Jesuiten sind eine Gefahr für das geringe Maß, für den geringen Rest an Nationalgefühl, der einer großen Mehrzahl von uns Deutschen geblieben ist."

Merkwürdig! Bismarck trifft sich hier mit einem führenden deutschen Jesuiten der Gegenwart, Moritz Meschler SJ, der das offene Geständnis ablegt:

"Von Beruf aus ist der Jesuit international und Kosmopolit im besten und edelsten Sinne des Wortes. Mit der Heimatscholle an den Füßen ist ein Eroberungsflug durch die Welt gar nicht denkbar."

[...] Oben nannte ich das Wesen des Jesuitenordens ein "verderbtes". Das ist es ohne Zweifel, mag man es religiös, christlich, politisch oder kulturell beurteilen. Die Verderbtheit hindert aber nicht, dass der Orden auch Gutes hervorgebracht hat – das Wort vom Baum, den man an den Früchten erkennt, ist überhaupt nur bedingt, d.h. nicht in bezug auf alle Früchte wahr – dass einzelne Jesuiten auf einzelnen Gebieten Tüchtiges, ja selbst Hervorragendes geleistet haben. Mancher Artikel meines Werkes wird dafür zeugen.


Meinem Werke gebe ich die Form einer Enzyklopädie. Warum?

Oberflächlichkeit, Faulheit und Unwissenheit – bedacht und bewusst schreibe ich diese scharfen Ausdrücke – sind im Kampfe gegen Ultramontanismus und Jesuitismus Hauptfehler gerade derjenigen, deren erste Pflicht ihre Bekämpfung ist: Regierungsmänner, Volksvertreter, Presseleute. Systematische Werke über den Jesuitenorden lesen sie nicht, zum Studium haben sie "keine Zeit". Es ist das eine Schande und ein Kulturverbrechen. [...]

Auch wenn man die Reden der Jesuitengegner aus den siebziger Jahren liest, so fasst einen Ingrimm über die Unwissenheit, die sich dort breit macht. So ging es weiter all die Jahre hindurch bis heute.
Kein einziger der vielen "Zentrums- und Jesuitentöter" im Reichs- und Landtag, keine einzige der vielen antiultramontanen Zeitungen, kein einziger der leitenden Regierungsmänner, niemand war seiner großen Aufgabe auch nur annähernd gewachsen, weil keiner die erforderlichen Kenntnisse besaß. Nichts als Halbwissen, Oberflächlichkeit und Faulheit.
Ich wiederhole: eine Schande und ein Kulturverbrechen.

Aber es ist nun einmal so, und so muss man es den zum Kampf Berufenen leicht machen. Das geschieht, indem alles Wissensnotwendige und Wissenswerte über den Jesuitenorden in Form einer Enzyklopädie dargeboten wird. Da bedarf es nur der "Mühe" des Nachschlagens der betreffenden Stichworte.
An Stichworten im Register und an deren Ausführungen habe ich es deshalb nicht fehlen lassen.


Mein Werk ist zusammengestellt aus den Quellen. Die Quellen zerfallen in zwei Gruppen: Jesuitenfreunde und Jesuitengegner. Ich will ein möglichst objektives Bild des Jesuitenordens geben. Dafür ist notwendig, das Für und Wider zu Wort kommen zu lassen. Selbstverständlich gehört zu den Quellen auch die Geschichte des Jesuitenordens. Wie überall, so gilt auch hier: magistra veritatis historia – ein Wort, das zum Schaden der religiösen, politischen, staatlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung viel zu wenig beherzigt wird.
Die Quellen, ob Freund oder Feind, lasse ich durchweg im Wortlaut sprechen.

Bei Auswahl der Stellen habe ich mich nur von der Sachlichkeit leiten lassen. Weil ich überzeugter Gegner des Jesuitenordens bin, weil ich in langer Zugehörigkeit zum Orden und in noch längeren Jahren eingehenden Studiums ihn als verderbt und verderblich erkannt habe, will ich seine Verderbtheit und seine Verderblichkeit für die religiöse, staatliche und kulturelle Welt aus Lehren und Tatsachen unanfechtbar erweisen, und will die Unanfechtbarkeit durch Gegenüberstellung von Freund und Feind, von Angriff und Verteidigung erhärten.
Die Stellen, die ich anführe, sind aus dem "Zusammenhang" gelöst, aber sie enthalten die wirkliche Ansicht der betreffenden Schriftsteller, Jesuiten oder Nichtjesuiten, d.h. auch im "Zusammenhang" ergeben die Stellen keinen anderen Sinn als ohne "Zusammenhang".
Das Bestreben nach Sachlichkeit hat mich bei zahlreichen Artikeln nur Stellen anführen lassen, denen man zustimmen kann, d.h. Stellen, aus denen sich ergibt, dass der betreffende Jesuit oder auch der Orden als solcher richtige Ansichten vertreten. Denn auch das Bild des Jesuitenordens weist wie alle Bilder, Schatten und Licht auf, was freilich nicht hindert, dass das Gesamtbild ein abschreckendes ist.
Wie es keinen Menschen gibt, der nur schlechte Eigenschaften besitzt, so gibt es auch keine menschliche Genossenschaft, die nur auf Schlechtes gerichtet ist oder nur Schlechtes hervorbringt. [...]

Was die Stellen aus Schriften von Jesuiten angeht, so übersehe man bei ihrer Beurteilung nicht, dass alles, was immer von Jesuiten veröffentlicht wird, ausnahmslos von der Ordenszensur geprüft und gutgeheißen worden ist (siehe "Bücherprüfung und Bücherausgabe") [...] Dass mein Werk polemisch ist, brauche ich nicht zu sagen. Wohl aber möchte ich einigen Gedanken über Polemik Ausdruck geben. Sie werfen auch Licht auf dieses Wörterbuch.
Vielfach ist man geneigt, polemische Werke geringer zu bewerten als nichtpolemische, besonders die Zunftwissenschaftler stellen die reine "abgeklärte" Wissenschaft der Polemik gern als das Bessere und Höhere gegenüber. Ohne Zweifel: theoretisch und abstrakt betrachtet ist "reine und abgeklärte Wissenschaft" DIE Wissenschaft und DAS Ideal. Aber da es nun einmal, solange es Menschen gibt, auch Irrtum und Unwahrheit geben wird, und zwar auf allen Gebieten, so werden auch die Wahrheit und die sie darlegende Wissenschaft stets, sie mögen wollen oder nicht, sich in Verteidigungs-, d.h. in polemischer Stellung befinden.
Wer nach der Wahrheit forscht, begegnet auf Schritt und Tritt nicht nur dem Irrtum, sondern auch der Lüge und der Entstellung. An ihnen vorbeigehen, ohne aufzuklären, ohne zu widerlegen, ohne zu entlarven, d.h. ohne zu polemisieren, ist unmöglich.

Das Wort von der Wissenschaft "ihrer selbst wegen", mit dem man so oft die Polemik beiseite schiebt, klingt schön, ist aber falsch. Die Wissenschaft ist des Menschen, d.h. seines materiellen und geistigen Lebens wegen da, und deshalb muss sie die Hinweise aufdecken und ihre Beseitigung suchen, die auf diesen beiden Wegen sich zeigen: wiederum Polemik. Und wenn wir die Geschichte der Wissenschaft betrachten, ist sie nicht Geschichte eines einzigen großen durch die Jahrtausende sich hinziehenden Kampfes zwischen Licht und Dunkel, zwischen Aufklärung und Verdummung, d.h. ist sie nicht fortlaufend Geschichte der Polemik? […]
Nun gibt es allerdings verschiedene Arten von Polemik: gute und schlechte, wissenschaftliche und unwissenschaftliche, und es ist nicht zu leugnen, dass das Wort "Polemik" etwas in Verruf gekommen ist, weil schlechte und unwissenschaftliche Polemik vielfach die Oberhand bekommen haben.
Das darf aber den Blick nicht trüben für die Wahrheit, dass gute und wissenschaftliche Polemik etwas Großes und Befreiendes ist, dass sie geboren wird aus dem edelsten Drang, der im Menschen lebt, aus dem Drang nach Wahrheit und ihrer Verteidigung.

Alle Artikel mit Ausnahme desjenigen über das "Jesuitenlatein", den Herr Studienrat Prof. Otto Morgenstern vom Schillergymnasium Berlin-Lichterfelde geschrieben hat und wofür ich ihm hier auch öffentlich danke, stammen von mir. Die Verantwortung für die vorgelegten Stellen usw. trage ich allein.
Arbeit und Mühe waren groß, für einen einzelnen fast übergroß.
Viele Hunderte von Werken, Büchern, Schriften und selbst Zeitungsartikeln habe ich durchlesen müssen.
Oft wollten Lust und Kraft erlahmen, aber der Gedanke, meinem Volke und darüber hinaus der Kulturwelt einen nicht unerheblichen Dienst zu erweisen, gab immer wieder neuen Antrieb.
Damit behaupte ich nicht, Vollkommenes geleistet zu haben, wohl aber sehr Brauchbares.
Zusammen mit meinem Werk "14 Jahre Jesuit" ist diese Enzyklopädie die umfassendste und, weil die Quellen selbst sprechen, zuverlässigste Darstellung des Jesuitenordens, seines Geistes, seiner Tätigkeit und seiner Arbeitsart, die es bisher gibt. Möchte sie wesentlich beitragen, den Orden zu enthüllen als das, was er, in seiner Ganzheit betrachtet, ist: "das Geheimnis der Bosheit" (2. Thess. 2, 7).

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